Wahrnehmungsschulung bei Erwachsenen
Man muss zwischen "Sehen " und "Wahrnehmen"
unterscheiden.
Sehen:
Die objektive Fehlsichtigkeit der Augen durch Übungen im
Bereich mehrerer Dioptrien zu beeinflussen entbehrt leider nach
derzeitigem Wissensstand jeder Grundlage.
Ausnahmen sind:
- Weitsichtige können die Akkommodationsfähigkeit (Naheinstellung)
massiv trainieren (resultiert aber oft in Kopfschmerzen, Ermüdung,
latentem Schielen, etc).
- Sehr perfektionistische junge Menschen spannen bei Streß
alle Muskeln, so auch die des Auges an und werden dadurch kurzsichtiger
je länger und genauer sie Sehzeichen zu erkennen versuchen.
(Akkommodationsspasmen). Sie profitieren auch beim Sehen von Entspannungstraining.
(Hierher dürfte die Idee der unterkorrigierten Therapiebrillen
stammen)
-weitere Ausnahmen führen uns weit in das sehr komplexe Gebiet
des latenten Schielens (Heterophorie), für das von nicht ärztlicher
Seite der weitgehend idente (aber unterschiedlich interpretierte)
Begriff "Winkelfehlsichtigkeit" geprägt wurde. Hier
sind Übungen sehr differenziert zu betrachten!
- Starke Blutzuckerschwankungen können massive Änderungen
der Fehlsichtigkeiten hervorrufen.
Bei anekdotischen Berichten fehlt die vorherige und nachherige
objektive augenärztliche Untersuchung. (In den ersten drei
Lebensjahrzehnten wächst der Augapfel und verändert sich
von einer Weitsichtigkeit in die Richtung der Kurzsichtigkeit! Zumindest
bei Hühnern wird das Augenwachstum zur Kurzsichtigkeit durch
unscharfes Sehen beschleunigt!)
Ob die Psyche Einfluss auf das Augapfelwachstum hat, läßt
sich schwer beantworten. Wenn Kurzsichtige eher genaue, akribische,
pflichtbewußte Menschen sind, die gern viel lesen, kann das
sowohl Ursache als auch Folge sein, da sich der Kurzsichtige beim
Lesen wohler fühlt und ihm Details eher auffallen. Das berühmte
Henne oder Ei - Problem.
Wahrnehmung:
Nichtsdestotrotz ist die Wahrnehmungsfähigkeit keine ausschließliche
Leistung des Auges, sondern mit Gehirn und Einstellung verknüpft.
Hier anzusetzen ist in jedemfall günstig.
Ein Fotograph sieht die Welt wie alle anderen, doch fallen ihm
ständig Motive auf, die andere übersehen. Ein Arzt sieht
manche Krankheiten am ersten Blick (Blickdiagnosen!). Ein Baumeister
sieht auf einer Wohnungseinweihung sofort etwaige Mängel, einer
fleißigen Hausfrau/mann fällt der Staub in der Zimmerecke
auf, den der Student in drei Monaten vielleicht bemerken wird.....
Die Sehwahrnehmung schwankt mit unseren Befindlichkeiten: Sind
wir müde oder krank "sehen" wir nicht so gut wie
sonst. Man kann also dem Hinweis der Augen (so wie dem anderer Organe)
nachgehen und sie als Biofeedback System verwenden: Was tut mir
gut? Wann sehe ich am klarsten? Wann fällt mir das Sehen gar
nicht mehr auf (dann ist es am gesündesten)?

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